Toespraak Eurocommissaris voor Industrie Günter Verheugen over meer arbeid, meer welvaart en meer milieubescherming in de EU (du)
SPEECH/08/89
Günter Verheugen
Vize-Präsident der Europäischen Kommission
zuständig für Unternehmen und Industrie
Mehr Beschäftigung, mehr Wohlstand, mehr Umweltschutz
Europäisches Parlament Plenardebatte
Strassburg, den 19. Februar 2008
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete,
Für mich ist das heute eine wichtige Grundsatzdebatte über die künftige Position Europas in der Welt. Es geht um unsere Antwort auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Die Ausgangslage ist ganz klar: Die europäische Integration, die heute 27 Staaten und fast 500 Millionen Bürgern verbindet, ist unsere grosse strategische Stärke. Wir schwächen uns nicht mehr selber durch Uneinigkeit und so sind wir in jeder Hinsicht eine sehr attraktive Region dieser Welt geworden. Unsere Verantwortung ist gewachsen - gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Europa, aber auch anderswo.
Der große Binnenmarkt ist das Fundament unseres Wohlstandes und die gemeinsame Währung ist politisch und wirtschaftlich ein kostbares Gut. Wir sind den Unwägbarkeiten der Zeit, den Stürmen der Globalisierung nicht ausgeliefert. Die Integration gibt uns die Möglichkeit, das globale Zeitalter nach unseren Vorstellungen mitzugestalten.
Das globale Zeitalter wird jedoch nicht nur von einem Staat oder Kontinent geprägt werden. Japan, die USA und die Europäische Union sind herausgefordert von aufstrebenden Staaten wie Russland, China, Indien oder Brasilien, die - wie wir auch - wirtschaftlich und technologisch um den Spitzenplatz kämpfen.
Die Europäische Union und die USA sind gemeinsam betrachtet selbstverständlich der wichtigste Wirtschaftraum dieser Welt; die Europäische Union stellt immer noch einen erheblichen Prozentsatz des Welthandels und auch unser Produktivitätswachstum hat sich in den letzten 3 Jahren deutlich erhöht. Aber die Wachstumsraten in den anderen Teilen der Welt sind noch höher. China und Indien investieren massiv in Forschung und Entwicklung. Erst jüngst hat Indien seinen Forschungsaufwendungen auf nahezu 70 Mrd. € jährlich verdreifacht. Indien und China können sich auf viel mehr Menschen stützen, ganz besonders auf ein großes geistiges Potential. Und - um auch das nicht zu vergessen - wir brauchen die aufstrebenden wirtschaftlichen Giganten an unserer Seite, wenn wir den Wettlauf gegen den Klimawandel wirklich gewinnen wollen.
Dieses neue Zeitalter eröffnet uns große Chancen, neue Möglichkeiten. Aber nur, wenn wir die Zeichen der Zeit nicht verschlafen und auch die Risiken mit voller Klarheit sehen. In Zeiten weltweiter Mobilität ist die Frage, wie sicher Arbeitsplätze in der Union sind und wie wir mehr und gut bezahlte Arbeitsplätze garantieren können, die eigentliche soziale Frage.
Die Lösung dieser zentralen sozialen Frage steht im Mittelpunkt der erneuerten Lissabonstrategie, unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung, die wir uns im Jahr 2005 gegeben haben. Diese Strategie ist die europäische Antwort auf die Globalisierung.
Wir haben nach drei Jahren Bilanz gezogen und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Es waren gute Jahre für Wachstum und für Beschäftigung. Notwendige Strukturreformen haben begonnen, sich für die Menschen auszuzahlen. Aber es besteht aus unserer Sicht kein Anlass, sich nunmehr gelassen zurückzulehnen. Das Ziel ist noch nicht erreicht. Wir haben noch einen weiten Weg und weitere Reformen vor uns. Und man muss kein Prophet sein um zu wissen, dass nicht der Stillstand, sondern die permanente Veränderung unsere Zeit prägt. Das macht vielen Menschen immer noch Angst, vor allen denen, die fürchten, bei diesen Änderungen nicht mithalten zu können und zu Verlierern der Globalisierung zu werden. Auch aus diesem Grund ist es so wichtig, unsere Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung noch stärker in unsere Gesellschaften zu tragen. Menschen müssen wissen, dass sie nicht schutzlos ausgeliefert werden.
Sie müssen wissen, dass wir es gemeinsam in der Hand haben, die Union und ihre Mitgliedstaaten, für eine Zukunft zu sorgen, die sich an unseren Werten misst. Sie müssen wissen, dass wir das können, indem wir uns auf unsere Stärken besinnen und unsere Schwächen überwinden. Deshalb brauchen wir endlich eine breite demokratische Debatte, überall, in jedem Land, die alle einbezieht - damit Ängste verschwinden, Kraftreserven mobilisiert werden und die Erfahrungen der Besten zum Gemeingut aller werden.
Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, haben sich dafür immer engagiert, im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern, in Ihren Zusammentreffen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus den nationalen Parlamenten und dafür danke ich Ihnen. Ebenfalls danken möchte ich den Berichterstattern in der Lissabon-Koordinierungsgruppe und in den zuständigen Ausschüssen, die mit dafür gesorgt haben, dass wir mit unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung Kurs halten und die richtigen Akzente setzen. Darum geht es der Kommission auch bei ihrem Vorschlag für die kommenden 3 Jahre. Wir glauben, dass die Grundausrichtung stimmt. Aber wir glauben auch, dass wir bei Schlüsselfragen der Zukunft nachjustieren müssen.
In den kommenden drei Jahren müssen wir vor allem die soziale Dimension unserer Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung weiter stärken. Bildung, Ausbildung und Qualifizierung müssen besser werden. Wir können dem Wandel nur dadurch begegnen, indem wir jedem Menschen von frühester Kindheit an helfen, alle Talente zu entfalten, Neues zu lernen und flexibel zu bleiben, lebenslang. Darauf hat jeder ein Anrecht. Und nur so wird es uns gelingen, zu verhindern, dass der Verlust eines Arbeitsplatzes für die Betroffenen und deren Familien ins gesellschaftliche Aus führt, in die Arbeitslosigkeit, in die Armut. Strukturwandel muss verbunden werden mit einer Politik, die Beschäftigung stärkt und Neuanfänge ermöglicht, in jedem Lebensalter. Hier werden auch die Unternehmen, die es noch nicht begriffen haben, umdenken müssen - gute und motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das wertvolle Gut, das im Wettbewerb den kleinen, aber alles entscheidenden Unterschied ausmachen kann.
Wir brauchen ebenfalls mehr Anstrengungen zur Verwirklichung der Wissensgesellschaft; noch sind wir vom gesetzten Ziel, 2010 3% des europäischen BSP für Forschung ausgeben zu wollen, weit entfernt. Wir müssen das Ruder endlich herumreißen und alle Effizienzreserven, die wir haben, nutzen. Der europäische Forschungsraum muss zur europäischen Realität werden.
Wir wissen, dass wir den Binnenmarkt weiter stärken müssen. Insbesondere brauchen wir eine volle Freisetzung des unternehmerischen Potentials der übergroßen Mehrheit unserer Unternehmen. Gemeint sind die 23 Millionen kleine und mittlere Unternehmen, die 2/3 aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen. Wir haben schon einiges auf den Weg gebracht, aber wir wollen mit dem "Small Business Act" im Juni noch einmal nachlegen. Wenn es den mittleren, kleinen und kleinsten Unternehmen gut geht, wenn sie wachsen und innovativ sind, wenn sich mehr Menschen trauen, den Sprung ins Unternehmertum zu wagen - dann und erst dann - stehen nachhaltiges Wachstum und mehr Beschäftigung in der Union auf einem ganz soliden Fundament. Das ist auch einer der Gründe, warum die Kommission bis zum nächsten Jahr soviel Vorschläge als möglich zur administrativen Kostenentlastung von Unternehmen vorlegen will. Die Gewinner werden die 23 Millionen KMU`s sein - und deren Beschäftigte.
Es ist ebenfalls ein Gebot der Stunde, die Integration der Energie- und Klimaschutzziele in unsere Wachstums- und Beschäftigungspolitik energisch voranzutreiben. Wir sind willens, den Nachweis zu führen, dass sich umweltpolitische Herausforderungen in wirtschaftliche Chancen und in sozialen Fortschritt ummünzen lassen. Wir brauchen eine starke europäische Industrie, die den Ball aufnimmt, denn wir sind fest davon überzeugt, dass eine europäische Führungsrolle bei Energieeffizienz und dem sparsamen Umgang mit Ressourcen nicht nur der Umwelt gut tut, sondern auch den Arbeitsplätzen. Umweltschonende Produkte und Verfahren haben Hochkonjunktur - heute mehr als gestern und morgen mehr als heute. Verantwortliche Klimaschutzpolitik setzt nicht auf die Ent-industrialisierung Europas, sondern auf den Industriestandort Europas, auf industrielle Arbeitsplätze in Industrien, die in Europa umweltschonend produzieren und Umweltschutz exportieren.
Schließlich sind wir ebenfalls der Ansicht, dass wir weiter großes Gewicht auf offene Märkte, die weitere Liberalisierung, auf fairen Handel und die engste Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten Partnern legen sollten. Nur 8% aller Unternehmen in Europa engagieren sich heute über die Landesgrenzen eines Mitgliedsstaates hinweg. Das heißt, dass auch bei uns eine Menge an Potential brachliegt. Je mehr wir kooperieren, je mehr Barrieren wir niederreißen, umso mehr Unternehmen werden sich auf den Weg machen, von den großen Marktchancen in Europa und auf anderen Kontinenten zu profitieren.
Um es zusammenzufassen: wir ondernsind der Auffassung, dass wir bei diesen Themen besser werden müssen. Dafür braucht es eine gemeinsame große Anstrengung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Dafür haben wir den notwendigen verlässlichen Rahmen. Wir haben eine Partnerschaft, die auf den Dialog und die kritische Würdigung des Erreichten setzt, und die sich bewährt hat. Mit den Integrierten Leitlinien haben wir vor drei Jahren einen verlässlichen Orientierungsrahmen geschaffen, an dem sich die Reformen auf der europäischen und der nationalen Ebene orientieren können. Ich weiß wohl, dass es Fragen zu unserem Vorschlag gibt, die Leitlinien im engeren Sinne des Wortes nicht anzutasten. Das hat die Kommission nicht aus Dogmatismus vorgeschlagen. Wir wollten keine Mogelpackung, weil wir ja keinen völlig neuen Kurs vorschlagen, sondern auf Kontinuität des Reformrahmens setzen. Gleichzeitig haben wir sehr kritisch Bilanz gezogen, wo die Schwächen der vergangenen 3 Jahre lagen, um daraus die Lehren zu ziehen. Deshalb schlagen wir die von mir beschriebenen neuen Akzentsetzungen vor, die auch ihren Eingang in die Leitlinien gefunden haben.
Wir haben ebenfalls ein neues Gemeinschaftsprogramm vorgeschlagen. Es ist, anders als sein Vorgänger, kein bunter Strauß vieler Vorhaben, sondern ein fokussiertes Programm. Es folgt der allgemeinen Prioritätensetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Es greift die notwendigen Nachbesserungen und Akzentverschiebungen auf und es konzentriert sich auf Maßnahmen, die schnell umsetzbar sind und Wirkungen zeigen. Wir brauchen schnelle positive Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in Europa, um die Glaubwürdigkeit aber auch die öffentliche Unterstützung für unsere Reformpolitik weiter nachhaltig zu untermauern.
Meine Damen und Herren Abgeordnete,
ich danke Ihnen, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, Ihnen heute die Sicht der Kommission auf die kommenden drei Jahre der Wachstums- und Beschäftigungspolitik der Union vorstellen zu dürfen. Für uns, das Kollegium, steht diese Politik ganz oben auf der Prioritätenscala, denn es geht um ein Mehr an Beschäftigung, ein Mehr an Wohlstand und ein Mehr an Umweltschutz. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.